Aus dem Diary von THE VISITOR. Demnächst im Kino.
Simone mit ihren engen Bodys, ihren schmalen Hüften, ihrem strengen schwarzen Pferdeschwanz, ihren 3 Kindern, ihrem warmen Lachen, ihren etwas schiefen Zähnen, ihrer zigarettenzerbörselten Stimme, ihren Schuldgefühlen. Simones Mann starb an Drogen, fast alle ihrer Brüder sind im Gefängnis oder frequentieren es zumindest. Simone bekennt in einem, wie ich finde immer noch rätselhaften Interview, dass sie sich schuldig fühlt an den Toden um sie herum. Als brächte ihre reine Anwesenheit Tod.
Simone hat sich gerade taufen lassen. Sie sucht Gott und eine späte Weichheit. Sie sei sehr hart gewesen. Sie will keinen Mann mehr. Sie fürchtet sich vor der Einsamkeit, aber ihr Charakter sei zu stark, zu verschlossen. Die Kinder, die durch ihre Schule gegangen sind landen später natürlich trotzdem oft bei der Mafia und den Drogen. Es ist schlicht der kräftigste Weg bei wenig Alternativen. Sie besucht sie im Gefängnis. Wenn Simone kommt, dann hat das Gewicht. Sie ist Vorbild. Ikone. Zumindest wird sie gehört mit der generalsartigen Klarheit mit der sie ihre Kinder hinter Gittern schimpft wie zuvor bei den Spaghetti. Wir verbringen 3 Wochen immer wieder im Umkreis Simones, also in der Nichtschule und in ihrem kleinen Zuhause. Wir leben in ihrer Atmosphäre, sehen mit ihr fern, wachen mit ihr auf. Wir sind geduldete, vielleicht auch von weitem gemochte Fremdkörper.
Ihre Tochter ist 16, schwanger, das konnte die Mutter nicht verhindern. Ihr ältester Sohn ist 18, Vater, ohne Arbeit. Ihr jüngster Sohn hat eine Augenkrankheit und wird erblinden. Sie hat auf ihre Art starke Kinder erzogen, sie seien alle clean, sagt sie. Seit der Vater tot ist und die beiden älteren Kinder ausgezogen, ist die Welt noch kleiner geworden. Da ist nur noch sie selbst und der erblindende Jüngste. Jefferson. Die Verbindung der beiden ist schön, innig, streitsam. Simone gibt uns noch ein Interview und bedankt sich danach. Es ist gut jemand zu erzählen, der von den Geschichten und Gefühlen nicht belastet wird. Sie wäre sehr gern Polizistin geworden, betont sie nochmal. Wenn ich mir Simone jetzt vorstelle wirkt sie von ihrer Geschichte umzurrt, umwebt. Sie wird auch von ihrer Umgebung immer wieder auf sie projiziert. Simone ist, das wird täglich klarer, zu geladen für die Zusammenhänge in denen sie auf dem Schulhof agiert. In ihr lebt der Vater weiter. Nicht nur sein Gegenteil. Simone jagt ihn jetzt in sich selbst. Sie lässt nichts raus davon. Nur eben einmal auf dem Tonband. Das verändert nichts. Es ist nur berührend. Verstörend. Dann reisen die Fremdkörper wieder ab.