•  
  •  
  •  

  •  


  • Dunkle Schatten der Angst

    INHALT

    Das das Leben fragil ist, diese Binsenweisheit hat er immer gekannt, und dass man es enden kann, wie es bei Shakespeare heißt, "mit einer Nadel bloß". Dass man aber den lebenden Menschen so sehr verfleischlicht und damit im Leben schon halb und halb zum Raub des Todes machen kann, dies hat er erst durch die Tortur erfahren. Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in der Welt. Die Schmach der Vernichtung lässt sich nicht austilgen. Das zum Teil schon mit dem ersten Schlag, in vollen Umfang aber schließlich in der Tortur eingestürzte Weltvertrauen wird nicht wiedergewonnen. Dass der Mitmensch als Gegenmensch erfahren wurde, bleibt als gestauter Schrecken im Gefolterten liegen: Darüber blickt keiner hinaus in eine Welt, in der das Prinzip Hoffnung herrscht.
    Der gemartert wurde, ist waffenlos der Angst ausgeliefert. Sie ist es, die fürderhin das Zepter schwingt. Sie - und auch das, was man die Ressentiments nennt. Die bleiben und haben kaum die Chance, sich in schäumend reinigendem Rachedurst zu verdichten.
    Jean Amery

    Berlin 1992.
    Eine junge, verstörte Frau wird mit einer Gruppe Asylsuchender aufgegriffen. Sie gerät in das Räderwerk der Bürokratie und wird in eine Psychatrie eingeliefert. Eine deutsche Ärztin versucht, ihr Vertrauen zu gewinnen. Aber die Frau, die vielleicht Türkin ist, schweigt.
    In Alptraumhaften Visionen vermischen sich Erinnerungen an Folter und Tod mit der Wirklichkeit.