| Rosas Höllenfahrt | ||
Deutschland 2009 / Farbe / Digital / 1:1,78 / stereo / 90 Min | |||
BESETZUNG | |||
| |||
STAB | |||
| |||
FILME | |||
| |||
INTERVIEW | |||
Regiekommentar Ich bin sehr katholisch aufgewachsen. In Wesel, im Rheinland war ich sogar Messdiener. Ich fühlte mich verpflichtet jedes mal, wenn ich masturbierte, eine Strichliste zu machen und es zu beichten. In den fünfziger Jahren drohten die Priester von der Kanzel massiv mit Höllenstrafen und das prägte sich bei mir unvergesslich ein. Mit 19 Jahren, als ich anfing schwul zu leben, war es unmöglich in der Kirche zu bleiben. Ich war ja nun ein Verdammter und Schwule landeten unweigerlich in der Hölle. Als ich Künstler wurde, war ich fasziniert von den intensiven Höllendarstellungen des Mittelalters, in Malerei und Literatur. Und später in der Popkultur empfand ich die Hölle als einen lustvollen Ort, an dem man lieber sein wollte als im langweiligen Himmel. Nun im Alter beginne ich mich wieder für spirituelle Dinge zu interessieren, mit Fragen wie: Gibt es eine Seele? Ist nach dem Tode alles aus oder gibt es doch Energien die weiterleben? Die Konzepte verschiedener Religionen interessierten mich mehr und mehr. Ein Film über die Hölle bot mir die Gelegenheit, viel zu recherchieren, interessante Experten kennen zu lernen, viele Fragen zu stellen und viele Antworten zu bekommen. Am Anfang befragte ich gläubige Katholiken wie Pfarrer Pulsfort oder den Journalisten Ingo Langner in Berlin. Mich interessierten die Dogmen der katholischen Kirche, inwieweit sie heute noch gültig sind, wie die Geschichten von Adam und Eva, vom Sündenfall, von der Erbsünde, von der Auferstehung Jesu, und dem Jüngsten Gericht, das die Sünder immer noch in die Flammen der Hölle schickt. So steht es im aktuell gültigen Katechismus. Auf dem Katholikentag in Osnabrück befragte ich Nonnen, Priester, Bischöfe und einfache Gläubige. Die meisten bestätigten die Existenz der Hölle. Nur ein Elvisimitator meinte, dass die Hölle in Helliwood liegt, wo Elvis schlechte Filme machen musste. Ich flog nach Israel mit meinem Mitarbeiter Markus Tiarks und wir fanden heraus, dass auch bei den Juden eine Hölle existiert, sie aber im Höchstfall nur zwölf Monate dauert. Bei den Buddhisten gibt es zweiunddreißig Höllen, aber auch sie sind nur ein Stadium im Kreislauf der Wiedergeburten. Auch im Islam gibt es eine Hölle, für die einen ewig, für die anderen ein Durchgangsstadium. Ich hatte eine Theatergruppe zusammengestellt und wir beschäftigten uns mit alten Texten, spielten in meinem Wohnzimmer Höllenvisionen nach. Eine der Darstellerinnen war die Deutschtürkin Melek Diehl, eine wunderschöne, kluge Frau. Sie las für uns aus einem Buch über die grausamen Höllenstrafen im Islam. Sie trug uns einen Vers aus der Aeneis von Vergil vor. Als sie nach Drehschluss das Haus verließ, wollte sie die Straße überqueren und wurde von einem rasenden Auto erfasst und war sofort tot. Das war für uns alle ein großer Schock. Ein Schicksalswink? Taten wir Unrecht uns mit der Hölle zu beschäftigen? Gibt es jemand, der uns vom Himmel oder von der Hölle aus beobachtet? Für viele von uns sind diese Gedanken stark von unserer religiösen Erziehung geprägt. Ich hatte Glück, mit Viola Altrichter eine wunderbare Expertin zu finden, die sich mit der Entwicklung der Seele beschäftigt. Sie meint, dass in frühen animistischen Kulturen die Menschen über die Fähigkeiten des Traumes die ersten Ideen für ein Leben nach dem Tode entwickelten. Im Zeitalter der Mythen, der ersten überlieferten Sagen wie dem Gilgamesch Epos, dem ägyptischen Totenbuch und der Odyssee des Griechen Homer, finden wir auch die ersten Höllenbeschreibungen. Prof. Hartmut Böhme von der Freien Universität in Berlin hat sich mit dem Mittelalter beschäftigt. Er erklärte mir, dass erst die Christen die Hölle ewig machten und wie grausam die Höllenstrafen im Mittelalter genüsslich ausgemalt wurden. Grosse Kunstwerke entstanden. Mit meinem Team fuhr ich nach Holland in die Geburtsstadt von Hieronymus Bosch, nach Hertogenbosch. Ich beschäftigte mich mit Dantes großem Gedicht, der Göttlichen Komödie. Aber auch heute, in unserer aufgeklärten Welt, gibt es viele, und es werden immer mehr, die an die Hölle glauben. Wir fanden in den Vereinigten Staaten die Sekte der Pfingstler, Pentecostal Church, die lustvoll in der Kirche umherhüpfen, in Zungen reden und an die Hölle glauben. Auch in Deutschland fanden wir bibeltreue Christen, die das Wort Gottes wörtlich auslegen und viele Bibelstellen zeigten, bei denen Jesus von der Hölle redet. Im Gegensatz dazu meint Prof. Uta Ranke Heinemann, dass Jesus kein Höllenprediger war, dass alle Zitate später in die Bibel hineingeschrieben wurden und dass es keine Hölle gibt, kein richtendes Jenseits, nur einen liebenden Gott. Wir erfahren, dass die Hölle hier auf Erden ist, dass Menschen und nicht Gott für den Holocaust verantwortlich sind und dass die Hölle ein Produkt der Menschen ist. Das Bedürfnis der Menschen nach Religionen begründet sich wohl darin, dass wir uns nicht mit der Endlichkeit des Todes abfinden können und Himmel und Hölle brauchen, um uns unsterblich zu machen. Rosa von Praunheim | |||