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  • Rosas Höllenfahrt

    PRESSESTIMMEN

    zitty BERLIN

    Filmessay: ROSAS HÖLLENFAHRT

    Martin Schwarz

    Seit 42 Jahren dreht Rosa von Praunheim Filme, und besonders seine zahlreichen Dokumentationen zeigen den Berliner Filmemacher als sensiblen Beobachter. In seinem neuesten Werk befasst sich von Praunheim mit der menschlichen Vorstellung der Hölle. Jetzt, da er 67 Jahre alt ist, müsse er sich mit diesem Thema beschäftigen, begründet der streitbare Regisseur seine Motivation, schließlich begehe er ja laut katholischer Kirche mit seiner Homosexualität eine Todsünde.
    Und er stürzt sich mit Verve in die Historie, erkundet sich bei Experten diverser Religionen sowie bei Spezialistinnen wie Viola Altrichter und einer herrlich erfrischenden Uta Ranke Heinemann. Er besucht den Kirchentag und den buddhistischen Vater von Uma Thurman. Darüber hinaus illustriert Rosa von Praunheim seine Recherche mit vielen historischen Darstellungen und mit Szenen, die er zusammen mit einigen Schauspielern in Improvisationen erarbeitet hat. Melek Diehl, eine der Schauspielerinnen in den Impro-Szenen, kam übrigens nach Drehschluss bei einem Autounfall ums Leben. Das Überraschende an Rosa von Praunheims kurzweiliger Recherche: So ziemlich jede Religion hat eine Höllen-Variante parat. Ein kluger, erhellender Film über die ewige Finsternis.

    Berliner Zeitung

    Üben für das Jenseits

    Nur ein Wimpernschlag: In "Rosas Höllenfahrt" klärt Rosa von Praunheim auf, was Sünder erwartet


    Bert Rebhandl

    Der Berliner Filmemacher Rosa von Praunheim hat einen guten Grund, sich mit der Frage nach der Hölle zu beschäftigen: Er wurde in den Fünfzigerjahren katholisch erzogen, und noch heute hält der Katechismus der katholischen Kirche die Homosexualität für "widernatürliche Wollust". Rosa von Praunheim ist schwul, sein ganzes filmisches Werk handelt davon, nun stellt er sich mit "Rosas Höllenfahrt" der eigenen und unser aller Endlichkeit. Er hat einen Reportagefilm über die Vorstellungen der Menschen vom Leben nach dem Tod gedreht. Jüdische, christliche, muslimische, fundamentalistische, dogmatische, antike, mittelalterliche, aufgeklärte Vorstellungen davon, was mit den Menschen passiert, wenn sie nicht mehr da sind. Rosa von Praunheim hat kluge Leute interviewt, auf dem Katholikentag in Osnabrück gefilmt, er hat sich Gemälde von Hieronymus Bosch und Illustrationen zu Dantes "Göttlicher Komödie" erklären lassen, und er hat sein Wohnzimmer schwarz verhängt und dort mit befreundeten Schauspielern berühmte Höllenszenen aus der Kulturgeschichte nachgestellt.

    Während der Dreharbeiten geschah etwas Schreckliches: Melek Diehl, die auch zu der von Rosa von Praunheim versammelten Gruppe gehörte, kam in Wilmersdorf bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Durch diese Tatsache bekommt "Rosas Höllenfahrt" ein ganz konkretes Motiv, das in dem Film aber nicht ausgebeutet, sondern sehr diskret behandelt wird. Den gelassensten Standpunkt gegenüber dem Tod nimmt der Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme ein: Er ist sich bewusst, dass jede einzelne Existenz nur ein "Wimpernschlag in der Geschichte der Welt" ist. An eine Seele oder ein Weiterleben in dem religiösen Sinn glaubt er nicht. Der Körper vermischt sich wieder mit der Materie, der "Verlust der Intelligenz" ist dabei unausweichlich.

    Gläubige Menschen aller Konfessionen haben hingegen sehr konkrete Vorstellungen von den zeitlichen und ewigen Strafen und Läuterungsprozessen. Ein Berliner Imam vergleicht die Hölle der Muslime mit einem "Krankenhaus", die Menschen werden dort für den Himmel gesund gemacht, ewiges Verderben lehrt der Islam nicht. Auch die jüdische Hölle ist nicht ewig, die buddhistische wiederum kennt 32 Formen, in einer wird man immer wieder zerquetscht (diese Vorstellung sollte uns vor Augen stehen, wenn wir das nächste Mal gedankenlos einer Fliege etwas zu Leide tun).

    Ein Film über die Hölle kommt um die Kunstgeschichte nicht herum, deswegen fährt Rosa von Praunheim auch zu dem berühmten Bild "Der Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch und fragt, warum darauf so vielen Menschen etwas im Hintern steckt - es überrascht nicht, dass es sich dabei um ein Symbol für "widernatürliches Verhalten" handelt, das aber nur in einem Teil von Boschs Bild als widernatürlich erscheint.

    Rosa von Praunheim erweist sich mit "Rosas Höllenfahrt" als typischer Aufklärer: Er relativiert Positionen durch Vergleich, und weist nach, dass jede Vorstellung von der Hölle viel mit Ängsten und Wünschen zu tun hat. Das Ergebnis dieses Prozesses wäre dann eine lockere Haltung wie die eines Polizisten in Osnabrück, der es so ausdrückt: "Hölle ist, wenn es kein Bier gibt." Und im Himmel gäbe es dann Freibier? Rosa von Praunheim muss dringend noch einen Film über den Himmel machen.

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    Filmstarts.de
    Von Christoph Petersen

    Viele der erfolgreichsten Dokumentationen der vergangenen Jahre waren Filme, die sich gegen etwas richteten: George W. Bush ist scheiße (Fahrenheit 911), das Gesundheitssystem ist scheiße (Sicko), die Banker
    sind scheiße (Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte), Michael Moore ist scheiße (Manufacturing Dissent) und Religion ist sowieso oberscheiße (Religulous). Und nun kommt der Berliner Filmemacher Rosa von Praunheim - pünktlich zu Halloween - mit einer Dokumentation über die Mythologie der Hölle daher. Da erwartet man doch geradezu, dass der bekannteste Streiter der deutschen Schwulenbewegung, der früher keine Möglichkeit zur Provokation ausgelassen hat, die rückständige katholische Kirche mal so richtig schön in die Pfanne haut. Doch die späte Rache bleibt aus. Stattdessen setzt der Regisseur seinen mit Meine Mütter -
    Spurensuche in Riga eingeschlagenen, sehr persönlichen Pfad mit „Rosas Höllenfahrt“ konsequent fort.

    Wie sieht es in der Hölle eigentlich aus? Welche Qualen gilt es dort zu ertragen? Und wie kommt man überhaupt in die Hölle? Diesen Fragen nähert sich Rosa von Praunheim (Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt) aus den verschiedensten Perspektiven. Er spricht mit einem Beichtvater und Ralf Miggelbrink, dem Autor des Buchs „Der zornige Gott“, in dem dieser das Bild des
    gewalttätigen, wutschnaubenden Gottes hinterfragt. In Israel erfährt Praunheim, dass es bei den Juden zwar eine besonders grausame Hölle gibt, dass man aber auch nur für maximal ein Jahr in dieser landen kann.
    Beim Katholikentag wird einem küssenden homosexuellen Pärchen zwar mit der Polizei gedroht, doch es passiert auch Amüsantes, wenn zum Beispiel ein Priester der Church of Elvis mit seiner Gitarre nach mehr
    Ökumene verlangt. Mit Fachleuten werden die Höllendarstellungen in Dantes Göttlicher Komödie und den Gemälden von Hieronymus Bosch diskutiert. Und die legendäre Kirchenkritikerin Uta Ranke-Heinemann
    räumt zum Abschluss mit den traditionellen Höllendarstellungen noch einmal ordentlich auf...

    Wenn ein Filmemacher wie Michael Moore (Bowling For Columbine) oder ein Comedian wie Bill Maher („Religulous“) sich selbst ins Zentrum einer Dokumentation rückt, dann entsteht schnell der Eindruck eitler
    Selbstdarstellung. Doch obwohl auch Rosa von Praunheim im Mittelpunkt seines eigenen Films steht, schließlich fungiert sein persönliches Interesse als Triebfeder, wäre dieser Vorwurf hier fehl am Platz. Denn auch wenn ihm die katholische Kirche dem einst gläubigen Christen seit seinem Outing erzählt, dass er aufgrund seiner Sexualität in die Hölle komme, begegnet er seinen Gegenübern in den allermeisten Szenen
    unvoreingenommen. Anders als Bill Maher, der fundamentalistisch eingestellte Christen wie Zirkustiere zur allgemeinen Belustigung vorführt, will Praunheim tatsächlich wissen, was seine Gesprächspartner zu sagen
    haben. Es ist dieses keinesfalls geheuchelte, sondern ehrlich empfundene Interesse, das den Begeisterungsfunken auch auf den Zuschauer überspringen lässt.

    Fazit: „Rosas Höllenfahrt“ ist eine ungewöhnlich persönliche Dokumentation, die zugleich fasziniert und bewegt. Keine platte Abrechnung, sondern ein ehrlich interessierter Blick auf ein facettenreiches
    Thema.