| COFFEE BEANS FOR A LIFE Mein Überleben in Kolbuszowa | ||
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Bewegend, bedeutend und echt. Im Sommer 2002 hat die deutsche Journalistin Helga Hirsch in Springfield/New Jersey den polnischen Einwanderer Norman Salsitz getroffen, um mit ihm über die Nachkriegszeit zu reden. Salsitz, 1920 im polnischen Städtchen Kolbuszowa geboren, erzählte. Wie im Ghetto ein anderer an seiner Stelle getötet wurde. Wie sein Vater vor den Augen der Familie erschossen wurde, und wie er zwei Jahre im Wald gelebt hat. Wie eine Familie ihn versteckt hat, und wie er durch ein Fenster einen besoffenen SS-Mann erschoss. Und warum er seine Heimat nie wieder besucht hat. Hirsch und Salsitz sind nach den Gesprächen nach Kolbuszowa gefahren - und haben diesen Film gedreht. Bewegend, bedeutend und echt. Felix Stephan, Tagestipp, Zitty/Berlin, Ausgabe 22/2006 Kaffeebohnen für ein Leben Im Kino: Ein Jude besucht nach 60 Jahren die Heimat Polen (Berliner Zeitung, 03.11.2006, Feuilleton - Seite 27) Jan Brachmann Natürlich hat er am Nationalfeiertag die Hymne gesungen. In der Synagoge! "Noch ist Polen nicht verloren". Der Rabbi konnte ja kein Polnisch. Aber Naftali Saleschütz sprach Polnisch, sein Vater sogar das schönste Polnisch in Kolbuszowa. "Ich habe Polen immer geliebt. Juden haben hier 300 Jahre lang gelebt. Ich denke, 300 Jahre sind genug, um Patriot zu werden". Naftali Schaleschütz, 1920 in Kolbuszowa geboren, heißt jetzt Norman Salsitz und lebt in den USA. Er musste 1942 erleben, wie die Gestapo seinen Vater ermordete. Seine Familie kam (mit Ausnahme eines Bruders) im Lager Belzec um. Auch er selbst sollte erschossen werden und hatte schon sein Grab geschaufelt, da kaufte er sich frei, indem er dem Deutschen Kaffeebohnen in Aussicht stellte. Statt seiner wurde ein anderer Jude erschossen, den Schaleschütz einbuddeln musste. Zwei Jahre hat er in Wäldern gelebt, wollte sich der polnischen Heimatarmee anschließen und hat, um sein Leben zu retten, einen polnischen Partisanen erschossen. Von den Russen besorgte er sich Waffen und Granaten, um mehrere SS-Leute wegzuballern. Helga Hirsch - langjährige Warschaukorrespondentin der Zeit - lernte Salsitz im Sommer 2002 in Springfield (New Jersey) kennen und konnte ihn dazu bewegen, nach fast 60 Jahren mit seiner Tochter und seinen Enkeln nach Polen zurückzukehren. Sie hat die Reise begleitet. Viele Begegnungen geschehen unvorbereitet vor der Kamera und reißen schonungslos alte Gräben auf. Helga Hirsch liebt das Konfrontative. Einst Anhängerin der Studentenbewegung, hat sie sich vom Kommunismus mehr und mehr distanziert, seit sie ab 1979 die Opposition in Polen kennen lernte. Der polnische Antisemitismus, die Rache von Polen an deutschen Zivilisten nach dem Weltkrieg, Flucht, Vertreibung, Leben und Leiden von Juden, Polen und Deutschen sind die Themen ihrer Bücher. In ihrem Film "Coffee Beans for a Life" blendet sie auch bei einem menschlich unschönen Vorfall nicht ab. Salsitz sucht sein Vaterhaus in Kolbuszowa auf. Er möchte es sehen. Die polnische Familie hat nichts dagegen, er könne sogar hier übernachten, wenn er wolle. Aber die Kamera dürfe nicht dabei sein. Die Polen sind misstrauisch. Sie haben Angst vor Rückübereignungsansprüchen. Salsitz explodiert: "Ich bin als Freund gekommen. Aber wenn ich auf solch einen Flegel treffe, dann werden Sie von mir hören. Ich besitze 3 000 Appartements in Amerika. Wozu brauche ich dieses beschissene Haus? Aber jetzt werde ich alles unternehmen, dass Sie hier nicht mehr wohnen können." Die Enkel sind bestürzt vom Verhalten ihres Großvaters. Doch diese Konflikte, diese schockierende Energie der Rache nicht zu dämpfen, ist die große Leistung dieses zu recht mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilms. Jedes Dokudrama ist schlapp und öde dagegen. In seinem früheren Leben hieß er Naftali Saleschütz und musste zeitig lernen, sich seiner Haut zu wehren. Heute heißt er Norman Salsitz und hat nichts von seiner Wehrhaftigkeit eingebüßt. Nach 57 Jahren besucht der polnische Jude, der in den Vereinigten Staaten lebt und sich als Patriot lieber in der Rolle des jüdischen Polen sieht – ein feiner, aber wichtiger Unterschied –, seine südpolnische Heimatstadt Kolbuszowa. Ein Ort, dessen Bevölkerung bis 1942 zur Hälfte jüdisch war; heute wohnt dort kein einziger Jude mehr. Salsitz’ erste und vermutlich letzte Reise in das „alte Europa“ gilt der Erinnerung. Einer Erinnerung, die nicht von wehmütiger Nostalgie geprägt ist, sondern an die Untaten gemahnen will, die nach der Besetzung Polens durch die Deutschen von Nazis, aber auch von den Polen verübt wurden. Seine Begleiter sind seine Tochter und drei erwachsene Enkel, denen der 85-Jährige seine Geschichte erzählen und auch seinen Groll vermitteln will, der ihm eine vitale Gesundheit und vielleicht auch das beeindruckende Gedächtnis erhalten hat. Zunächst ist man irritiert, wie unsympathisch die Dokumentarfilmerin Helga Hirsch ihren Protagonisten einführt: Als unfreundlichen Mann, der auf der Straße eine in die Jahre gekommene Schreiberin antijüdischer Briefe anpöbelt, als Besucher seines Elternhauses, der von den jetzigen Besitzern ad hoc einen Begehungstermin verlangt, generell als jemanden, der den Polen nicht unbedingt freundlich gesonnen scheint. Doch im Laufe des geschickt entwickelten Films „packt“ Salsitz aus. Erzählt von seiner Zeit im Ghetto und der Flucht in polnische Wohngebiete. Vom Terror der Deutschen und der ständigen Angst, von den Polen verraten zu werden, den Schwierigkeiten, innerhalb der polnischen Heimatfront akzeptiert zu werden, wo seinerseits die Angst herrschte, von Juden an den sowjetischen NKPD verraten zu werden. Salzitz berichtet von der Erschießung seines Vater, der Vernichtung seiner Familie und den letzten zwei Kriegsjahren, die er gemeinsam mit jüdischen Leidensgenossen bei bitterer Kälte in den Wäldern verbrachte und in denen die meisten seiner Gefährten einem polnischen Pogrom zum Opfer fielen. Norman Salsitz erzählt von seinem Groll, dass der Widerstand gegen die Deutschen nicht in der Lage war, Polen und Juden zu einen. Er erzählt auch von seiner eigenhändigen Erschießung eines Schulkameraden, der ihn im Auftrag der Heimatfront töten sollte, und gibt die Geschichte mit den Kaffeebohnen zum besten, die ihm das Leben retteten: Als er getötet werden sollte und sein Grab bereits ausgehoben hatte, fädelte er mit einem SS-Kommandanten einen Deal mit Kaffeebohnen ein – an seiner Stelle wurde ein anderer erschossen. All dies erzählt Salsitz in diesem immer ruhiger werdenden Film, der die emotionale Mitte und die Altersweisheit seines Protagonisten auszuloten versucht – und sie schließlich auch findet: bei Freunden und Lebensrettern. Etwa bei einer freundlichen Postangestellten, die Kontakte zu den Deportierten ermöglichte und mit der Salzitz zum ersten Mal in seinem Leben Händchen hielt, oder bei der Schwester jener Frau, die sein Leben rettete. Für Stefanie Chador hat Norman schon vor Jahren den israelischen Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ erwirkt. Mit deren Schwester stimmt der nachdenkliche Film auch den Abspann an. Der Emigrant und die „gute“ Polin singen ein jiddisches Lied, wodurch die Welt mit einem Mal so aussieht, als ob man sie wirklich in Ordnung bringen könnte, wenn es nur mehr Gerechte gäbe, die den Mut haben, ihre Schuld oder Unterlassungen einzugestehen. Hans Messias Aus: film-dienst/November 2006 Viele Elemente sind für einen Dokumentarfilm über jüdisches Schicksal völlig neu. Vor allem die Szene, wie der Protagonist nicht in das Haus seines Vaters eingelassen wird, hat mich sehr berührt (und ich habe sehr, sehr viele ähnliche Filme gesehen). Wunderbar auch die alten Dokumente aus der Vorkriegszeit, das Gebet in der Synagoge und die Geschichte des Wappens von Kolbuszowa, des einzigen Wappens in Polen mit einem Davidstern. Ich gratuliere Ihnen zu der Ehrlichkeit und der Sensibilität in der Darstellung. (Leo Kantor, Direktor des Internationalen Dokumentar Film Festivals in Stockholm) Manchmal ergreifend, manchmal schrecklich, immer wahrhaftig - ein sehr wichtiger Film. (Hanna Krall, Schriftstellerin, Warschau) Zu Ende gegangen ist endgültig die 14. dokumentART (in Neubrandenburg) mit der Preisverleihung am Sonnabend. Den Hauptpreis erhielt der Film „Coffee Beans For a Life – Mein Überleben in Kolbuszowa“ aus Deutschland von Helga Hirsch. In der Begründung der Jury heißt es: „So gelingt es, den einzigartigen Moment der Konfrontation zwischen dem Protagonisten und den polnischen Bürgern darzustellen. Obwohl wir glauben, dieses Thema gut zu kennen, erzählt uns der Film eine neue, komplexe Geschichte.“ Nico Reinhold, Nordkurier vom 21.11.2005 Autorin Helga Hirsch lässt die dramatische Geschichte allein aus den Worten der Überlebenden und ihrer Nachkommen entstehen. So entsteht ein ungemein spannendes Stück Zeitgeschichte. Torsten Wahl, Berliner Zeitung vom 25.1.2005 Der Dokumentarfilm „Coffee Beans for a life - Mein Überleben in Kolbuszowa” ist in seiner auf jeglichen Kommentar verzichtenden Darstellungsweise ein außergewöhnliches Dokument über die Gegenwärtigkeit des nationalsozialistischen Terrors im Leben seiner Opfer ... Auf verquere, tragische Weise ist dies auch ein Film darüber, was “Heimat” bedeuten kann. Mark Siemons, FAZ vom 26.1.2005 Regisseurin Helga Hirsch erzählt die Geschichte von Norman Salsitz, der 1920 im südpolnischen Kolbuszowa geboren wurde. Nach dem Überfall Deutschlands auf Polen im Jahr 1939 mußte er wie die meisten Juden ins Ghetto ziehen, wo er bis 1942 lebte. Dann flüchtete er mit 125 anderen in die Wälder, wo sie sommers wie winters von der SS und polnischen Bauern aus der Umgebung gejagt wurden. Sein Überleben verdankt er ein paar Kaffeebohnen, mit denen er sich freikaufen konnte. faz.net ...eindringlich, lebensnah und voller berührender Momente. Ein beeindruckendes Dokument... Norman Salsitz ist ein ganz normaler älterer Herr, der, wenn man ihm auf der Straße begegnen würde, kaum für Aufsehen sorgen dürfte. Und doch hat Norman Salsitz eine außergewöhnliche Geschichte zu erzählen, die auf keinen Fall in Vergessenheit geraten darf – die Geschichte seines früheren Lebens. Norman Salsitz wurde im Jahr 1920 als Naftali Saleschütz im südpolnischen Kolbuszowa geboren und wuchs dort auf. Nach dem Überfall Deutschlands auf Polen im Jahr 1939 musste er wie die meisten Glaubensgenossen in das Getto ziehen – sofern sie nicht gleich den Vernichtungslagern zugeführt wurden – und lebte dort bis 1942, ehe ihm die Flucht gelang. Gemeinsam mit 125 anderen Flüchtlingen lebte er in den Wäldern – sommers wie winters – auf der ständigen Flucht vor der SS und polnischen Bauern, aus der Umgebung, die regelrechte Treibjagden auf Juden veranstalteten. Doch es gab auch Polen, die ihm halfen, erinnert sich Norman Salsitz, und manchmal war es schlichtweg Glück, dass er überlebte. So war sein Tod bereits beschlossene Sache und das Grab schon ausgehoben, als sich Salsitz durch ein paar Kaffeebohnen freikaufen konnte. Doch der Preis war hoch, denn an seiner Statt wurde nun ein anderer Insasse des Gettos erschossen. Überhaupt zeigt der Film auch, wie leicht aus jüdischen Opfern aus reiner Notwehr auch Täter werden konnten – denn es waren nicht allein die Deutschen oder polnische Antisemiten, die Jagd auf Juden machten, selbst der polnische Widerstand trachtete ihnen nach dem Leben, wenngleich aus ganz anderen Gründen: so befürchteten die Untergrundkämpfer in den letzten Monaten des Krieges Verrat seitens der Juden an die immer weiter vorrückende Rote Armee. So kam es auch, dass Naftali schließlich einen Polen tötete der seinerseits versucht hatte, ihn umzubringen. Die Erlebnisse in seiner Heimat haben Norman Salsitz niemals losgelassen. Unmittelbar nach dem Krieg trat er in den pro-kommunistischen polnischen Sicherheitsdienst ein, um nach den Feinden von einst zu suchen und Rache an ihnen zu nehmen. Ende des Jahres 1945 schließlich floh er aus Polen nach Deutschland und organisierte von dort aus Hilfsaktionen für Juden, die illegal nach Palästina einreisen wollten. Im Jahr 1947 emigrierte er gemeinsam mit seiner Frau Amalie in die USA. Nach über sechzig Jahren hat sich Norman Salsitz alias Naftali Saleschütz noch einmal nach Kolbuszowa begeben, um sein vergangenes Leben Revue passieren zu lassen und noch einmal Spuren der Vergangenheit zu entdecken. So besucht er unter anderem die Nachkommen jener Familie, die ihn unter Lebensgefahr versteckte und gesund pflegte und er konfrontiert sich mit dem Enkel jenes polnischen Widerstandskämpfers, den er einst in Notwehr erschoss. Überleben und Tod, Freundschaft und Verrat, Solidarität und Hass, sie alle liegen dicht beieinander bei diesem Film von Helga Hirsch, der mit einfachsten Mitteln – den Worten derer, die überlebt haben – aus einem anderem Leben erzählt, eindringlich, lebensnah und voller berührender Momente. Ein beeindruckendes Dokument wider das Vergessen und das Porträt eines kleinen, alten Mannes, der einfach nur überleben wollte. (Joachim Kurz, kino.de) |