Presse:
Zügig durch den Berg
Der rötliche Sand zerteilt den Wald. Wo er leuchtet, wurde abgeholzt. Für die Thüringer Waldautobahn. Für ein ehrgeiziges Projekt mit neun Brücken und vier Tunneln auf 20 Kilometern. Einer heißt `Berg Bock`, liegt zwischen Zella-Mehlis und Suhl und ist sechs Kilometer lang. Deutsche, Österreicher und Slowaken graben ihn in 12-Stunden-Schichten rund um die Uhr in 13 Monaten durchs Gebirge. Deutsche Arbeiter sind misstrauisch gegenüber den Slowaken ("Billiglöhner"), die Österreicher verdienen am Tunnel das Doppelte wie daheim. Gewohnt wird in engen Campingmobilen, gearbeitet in Lärm, Staub und Zugluft. Einmal kommt Gerhard Schröder mit seinem Tross, um die Thüringer Ingenieurleistungen zu feiern.
Die Bewohner von Heinrichs hingegen stehen mit Ferngläsern auf den Hängen und betrachten die Baufortschritte. Eines Tages wohnen sie unter einer Riesenbrücke. Es gibt Umsiedlungsangebote hier und Skepsis dort. Ein Anwalt wird eingeschaltet. `Der Mond der Mineure`ist keine Bau-Chronik, sondern erzählt Geschichten. Von arbeitenden Leuten im Berg und Leuten, die daneben wohnen. Die auf Investitionen hoffen und ratlos vor den Schneisen stehen. Regisseur Bernd Bajog dokumentiert das nüchertn und kommentarlos. Eine einfach wohltuende Tugend."
(Leipziger Volkszeitung, 19.2.2004)
"Nicht nur, weil die Baustelle nicht einmal eine Autostunde von Coburg weg liegt, hat Bajog ein interessantes Werk geschaffen. Im Spagat zwischen der interessanten Arbeit der Tunnelarbeiter und den verheerenden ökologischen Folgen für den Thüringer Wald schildert Bajog vielmehr ein lebendiges Stück innerdeutsche (Autobahn)-Geschichte. Gestern war der Regisseur im Utopolis-Mulitplex, um `Der Mond der Mineure´zu präsentieren. Dem TAGEBLATT bot sich dabei die Möglichkeit zu einem Interview. (...)
Was sagen Sie Leuten, die beim Begriff "Dokumentarfilm" gleich abwinken? Bajog: Dass sie Dokumentarfilm nicht mit einer einfachen Reportage gleichsetzen sollen. `Der Mond der Mineure´hat sehr wohl eine Dramaturgie und funktioniert so als Kinofilm sehr gut. Zudem haben wir mit unseren zentralen Figuren wirklich echte Charaktertypen entdeckt, die bei der Premiere in Suhl sogar Szenenapplaus bekamen." (Coburger Tageblatt, 5.12.2003)
Arbeit und Träume vorm Mond der Mineure
"Bernd Bajog ist nervös. Das sei er immer, sagt der Regisseur. Seine Hauptdarsteller, die sonst ihren Auftritt im Dunkel des Berges haben und nun im Rampenlicht stehen, nehmen`s scheinbar lockerer.
Der Film zeigt, wie sie sind. Und ihre Arbeit. Und ein Stück ihrer Seele.
Was zählt, ist der Vortrieb am Tunnel Berg Bock, in Zwölf-Stunden-Schichten, oft knietief im Wasser und mit der ständigen Gefahr im Nacken, die ihren Adrenalin-Spiegel hoch hält. Der Stein muss aus dem Berg, dafür sind die Tunnelbauer auf Wanderschaft, den Baustellen hinterher. Freilich auch dem guten Geld, das sie zu Hause nicht verdienen würden. (...) Über Geld wollen sie nicht reden. Sie reden über das Haus, dass sie ihrer Familie irgendwo in Süddeutschland gebaut haben oder darüber, ihren Kindern eine gute Ausbildung bieten zu wollen oder über Träume. Der von Maik ist es,
Amerika zu sehen. Er träumt ihn vor der Kamera, während er nach dem Durchschlag im Tunnel Berg Bock dem Ausgang, dem Licht am Ende des Tunnels - dem Mond der Mineure - entgegenfährt. (...)
Auch für ihn war der Tunnel Berg Bock ein bisschen Heimat mit Wohnwagen, dem Bild seiner Freundin und den Kumpels - einer Gesellschaft aus Süddeutschen, Österreichern und Slowaken, in der man sich erst mal zurecht finden muss. &Mac179;Das hat schon gedauert, ehe ich wusste, was der Josef aus Bayern von mir wollte, wenn er Material bestellt, erzählte Stefan, der Lieblings-Sachse auf der Baustelle, und mit Szenen-Applaus bedachter Publikumsliebling im Kinosaal. Er gibt zu, sich bei dem Film manchmal eine Träne verdrücken zu müssen, ´weil`s wirklich so war. Ich bin echt nicht gläubig, aber im Berg hab`auch ich gebetet und der Heiligen Barbara gedankt`.
Heute arbeitet der Zwickauer, den es auf jedem Meter im Berg faszinierte, auf Boden zu stehen, auf dem vielleicht ein Dinosaurier, aber noch nie ein Mensch stand, in einem Lager mit Hochregalen und allem Hightec-Schnickschnack.(...)
Kamera und Mikrofon richten sich auch auf die Geschichte am Rande des Tunnels, auf das künftige Autobahndreieck, auf die Haseltalbrücke, auf der über die Köpfe der Heinrichser hinweg in ein paar Jahren der Verkehr rollen wird. Und sie nehmen faszinierte Baustellen-Touristen mit Edelweiß-Hosenträgern auf und auch die Familie Krieger, deren Haus eben dieser Faszination im Wege steht. Die Kriegers sehen mit jedem Fortschritt der Pläne und des Baus das Unheil, den Verlust ihres Hauses, ihrer Heimat auf sich zukommen, pflegen ihr Grundstück, machen Heu, pflanzen Blumen
... Kriegers und ihr Haus mussten weg. Sie haben als Ersatz ein Grundstück mit Haus und Blick auf die künftige Brücke über Heinrichs bekommen. (...)
Über eineinhalb Jahre haben Bernd Bajog und sein Team die Mineure am Berg Bock begleitet. Am Anfang stand der Kampf um das Vertrauen der Tunnelbauer, die schon mal vor Kamera und Mikrofon ausgerissen sind und sich doch ein Stück weit auf ihre Seele schauen lassen haben. (Freies Wort, Suhl, 1.11.2003)
"Bilder vom "bockigen Berg"
"(...) Einer von ihnen sagt im Film, was der Kick dieses Berufes ist: als Erster an einer Stelle zu
stehen, wo noch nie ein Mensch vorher stand. In Spielfilmlänge wird gezeigt, wie der `Berg Bock`, einige Tunnelbauer nannten ihn `bockiger Berg`, durchstochen wird. Der Film trifft den Nerv der Zeit, weil er sich mit dem Charakter der Arbeit auseinander setzt. Mineure sind von jeher Spezialisten, die ihrem Arbeitsplatz hinterherfahren. Bajog zeigt am Beispiel von zwei Österreichern, wie tief der Rhythmus von vier Wochen Baustelle und sieben Tagen Familie eingegraben ist. (...)
Die heilige Barbara auf dem Schreibtisch des Bauleiters zeigt deutlicher als Worte den Respekt der Ingenieure und Arbeiter vor dem Berg. Im Film erzählt der Österreicher davon, wie ein vergessener Sprengsatz vor dem Bohrwagen hochging. Da habe`die Barbara die Hand über uns gehalten.`
Ein zweiter Handlungsstrang widmet sich dem Kampf einiger Anwohner in Suhl-Heinrichs gegen die geplante Trassenführung. (...) Die ökologische Notwendigkeit hat Bajog der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit einander gegenübergestellt. Im Film erscheint dies nicht als unlösbarer Konflikt. Allerdings wirft Bajog eine Menge Fragen über die Arbeitswelt der Gegenwart auf. (Meininger Tageblatt, 3.11.2000)
Pioniergeist beim gefährlichen Kampf gegen die Natur
"Konkret geht es dabei um die Tunnel-Querung der Thüringer-Waldstrecke zwischen Zella Mehlis und Suhl im Zuge des A-73-Projekts (freigegeben im Dezember 2002), um die davon betroffenen Anwohner mit ihren oftmals existentiellen Sorgen auf der einen und um den durchaus riskanten Einsatz der Bauarbeiter auf der anderen Seite ... In eineinhalbjähriger filmischer Begleitung hat Bernd Bajog eine Geschichte in durchgehender Authentizität mit einigen herausgehobenen Beteiligten in entsprechend identifikatorischer Intensität entwickelt.
Bedrohlichkeit allseits. Bei solchen Projekten gehört die Natur grundsätzlich zu den Verlierern. Das Entsetzen eines Anwohners bei der Vorstellung, dass sich in nicht mehr ferner Zukunft eine Brücke genau über seinem Dach befinden wird und dass sich eine Trasse wie ein Moloch täglich näher an sein Haus heranschiebt: "Unfassbar!... Die Mineure bilden den eigentlichen harten Kern der Tunnelbauer. Rund um die Uhr in zwei Schichten à zwölf Stunden wird gearbeitet. Eine reine Männergemeinschaft unterminiert mit der Hand, mit Riesengerätschaften, mit Dynamit und Hightech und unter Lebensgefahr ganze Bergzüge.
Unbedingte Solidarität ist dem `bockigen´ Berg gegenüber gefordert. Bedenkliche Risse, die sich außerhalb des Tunnels zeigten, würden in seinem Inneren die Alarmstufe `Rot´auslösen. Die zweijährige Distanz zu den Familien, der immense Arbeitsstress, die provisorischen Unterkünfte oder die eventuell nachfolgende Arbeitslosigkeit sind nur einige Aspekte, die der Regisseur mit den Tunnelbauern beleuchtet. Den Beschwernissen steht der Stolz gegenüber, auf die Besonderheit ihrer Leistung, den Einsatz von Verstand, hellwacher Vernunft und aller Sinne als euphorische Motivation.
Die Regie ist mit geduldiger Einfühlsamkeit den vielfältigen Perspektiven von Mensch und Natur nachgegangen ohne tendenziell Partei zu ergreifen, wenngleich sich des öfteren grandiose Aufnahmen (Kamera: Bert Göhler) im Erdinneren, der im Nebel changierenden Tunnelöffnungen oder der vom Hubschrauber aus beobachteten Riesenbaustellen emotionalen Technik-Hymnen nähern... Der Mond der Mineure ist ein hochinteressanter authentischer Film in unterhaltsam-reizvollem Gewande.
(Volkmar Henke in Neue Presse/ Unabhängige Tageszeitung in Franken, 6.12.2003)
Heimatgefühle, Fortschrittswahn
(...) "Nicht nur, weil die Baustelle nicht einmal eine Autostunde von Coburg weg liegt, hat Bajog ein interessantes Werk geschaffen. Im Spagat zwischen der interessanten Arbeit der Tunnelarbeiter und den verheerenden ökologischen Folgen für den Thüringer Wald schildert Bajog vielmehr ein lebendiges Stück innerdeutsche (Autobahn)-Geschichte. (...)
Wie waren die Mineure bei der Premiere des Filmes in Suhl mit ihrer Arbeit zufrieden?
Bajog: Ich denke, sie haben sich wiedererkannt, interessant war für mich, dass das Publikum im ehemaligen &Mac179;Osten den Tunnel und damit auch den Film als ein gesamtdeutsches Ereignis aufgenommen hat. Irgendwie ist das auch richtig, denn unsere Arbeiter kamen von überall her: Bayern, Thüringen, Sachsen - ja sogar aus Österreich und der Slowakei. Dennoch haben alle eine große private Nähe bei den Dreharbeiten zugelassen. Gerade zum Schluss war dies nicht einfach, denn die meisten Mineure haben keine Anschlussverträge bekommen und stehen heute auf der Straße.
Was sagen Sie Leuten, die beim Begriff "Dokumentarfilm gleich abwinken?
Bajog: Dass sie Dokumentarfilm nicht mit einer einfachen Reportage gleichsetzen sollen. &Mac179;Der Mond der Mineure hat sehr wohl eine Dramaturgie und funktioniert so als Kinofilm sehr gut. Zudem haben wir mit unseren zentralen Figuren wirklich echte Charaktertypen entdeckt, die bei der Premiere in Suhl sogar Szenenapplaus bekamen.
(Berthold Köhler im Coburger Tageblatt, 5.12.2003)