| Eine deutsche Revolution | ||
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Eine Leidensgeschichte „Der Angeschuldigte beharrt auf seinen gesetzlich garantierten Rechten. Der Untersuchungsrichter verordnet körperliche Folter. Der Angeschuldigte malt seine Forderungen mit dem eigenen Blut auf ein Papier. Der Unersuchungsrichter ekelt sich und verordnet weitere Folter. Der Folterknecht stöhnt bei dem Gedanken an die Arbeit. Es dauert lange, einen gesunden und aufrechten Menschen unter Beachtung aller einschlägigen Vorschriften und Verordnungen legal zu Tode zu quälen. Am Ende stirbt des Opfer durch einen merkwürdigen Schnitt am Hals. Ist den Untersuchenden die Prozedur zu lästig geworden? Mit unbequemen Fragen, Gedanken und Bildern konfrontiert Regisseur Helmut Herbst in seinem ersten großen Kinofilm „Eine deutsche Revolution“ sein Publikum. Zu unbequem? „Eine deutsche Revolution“, offizieller Wettbewerbsbeitrag der Berliner Filmfestspiele 1982, ist seitdem in nur wenigen deutschen Kinos zu sehen gewesen. Dabei zählt Herbsts Schilderung der Hessischen Verschwörung von 1834 mit Sicherheit zu den interessanteren Produktionen der letzten Jahre. Leicht hätte Herbst einen Publikumswirksamen action-betonten Film aus dieser Geschichte machen können. Ihn interessierte anderes. Er erzählt in zwei Altem von einer Revolution in den Köpfen weniger und ihrem Scheitern an der Gewalt einer Staatsmacht, die auf Machterhaltung aus ist. Erster Akt ist für Herbst dabei der Auftritt des jungen Büchner, der sich schon längst wieder im Ausland mit Kunst und Wissenschaft beschäftigt, wenn im zweiten Akt der unbeugsame Weidig zu Tode gefoltert wird. Zwischen wunderschönen Tableau-Bildern (Kamera: Henning Zick), die versuchen, das Gefühl jener Zeit zu rekonstruieren, lässt Herbst dem Zuschauer Raum, den Blick auf die Stiefel zu richten, die einen Menschen niedertreten. Herbst erklärt wenig, psychologisiert kaum, nimmt sich aber viel Raum für die Sprache Büchners, den Greger Hansen spielt. „Die politischen Verhältnisse könnten mich rasend machen“, diesen Büchner Satz hat Herbst seinem Film vorangestellt. Und diese Raserei möchte der Regisseur im zweiten Teil beim Zuschauer erzeugen – mit einer düsteren, peinlich genauen Inszenierung der Passionsgeschichte des Pfarrers Weidig, den der Hofrat Georgi (Emanuel Schmied) malträtiert. Die Leidensgeschichte schlägt sich beim Filmemacher Herbst in einer Etüde des Filmlichts nieder, wie wir sie in dieser Konsequenz und Schönheit zuletzt vor acht Jahren im Kino bewundern konnten – in Stanley Kubricks „Barry Lyndon“. Wer viel vom deutschen Kino gesehen hat, der kann nur staunen, was Herbst und sein Kameramann beim Schein von Kerzen und Laternen auf die Leinwand gebracht haben. „Diese Thematisierung des Lichts habe ich aus Filmen der zwanziger Jahre gelernt, aus Filmen, in denen zum Beispiel Guido Seeber Kamera gemacht hat“, sagt Herbst. So sehen wir die Verschwörer im rauchverhangenen Licht von Gaststuben parlieren, sich im Licht versammeln, das durch das Waldlaub gebrochen wird. Wir sitzen mit ihnen in lichtlosen Kerkern und werden wie sie vom grellen Tageslicht geblendet, wenn sie nach wochenlanger Dunkelhaft wieder ins Freie gelangen. Die unerbittliche Logik der Macht, die da vorexerziert wird, der parteilich teilnehmende Blick der Kamera auf die Ohnmächtigen weist über den Film hinaus in unsere Gegenwart." (Bodo Fründt, in: Süddeutsche Zeitung, 5.10.1983) |