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  • BRD 2002, 35mm, Farbe, 85 Min.

    BESETZUNG

    Paul
    Kerstin
    Max
    Lene

    u.v.a.
    Lennie Burmeister
    Nicole Gläser
    Devid Striesow
    Trine Dyrholm


    STAB

    Regie
    Drehbuch
    Kamera
    Schnitt
    Ton
    Mischung
    Tonschnitt
    Ausstattung
    Kostüm
    Redaktion
    Produktion
    Produzenten
    Produktionsförderung





    Ulrich Köhler
    Ulrich Köhler / Henrike Goetz
    Patrick Orth
    Gergana Voigt
    Johannes Grehl
    Pierre Brand
    Thomas Knop
    Silke Fischer
    Birgit Kilian
    Christian Cloos
    Peter Stockhaus Filmproduktion GmbH Koproduktion ZDF- Das kleine Fernsehspiel
    Peter Stockhaus, Tobias Büchner
    FilmFörderung Hamburg GmbH
    Hessische Filmförderung HR-Filmförderung Kuratorium junger deutscher Film Verleihförderung
    FilmFörderung Hamburg GmbH
    Hessische Filmförderung
    Filmboard Berlin-Brandenburg GmbH







    INTERVIEW

    mit Ulrich Köhler

    Es fällt auf, dass BUNGALOW in wenigen, genau komponierten Bildern erzählt wird. Gab es ein Drehbuch mit bereits genau festgelegten Kameraeinstellungen oder wurden die Szenen erst vor oder während der Dreharbeiten mit dem Kameramann aufgelöst?

    Es gab kein Storyboard. - Die eigentliche Auflösung ist erst in Zusammenarbeit mit dem Kameramann Patrick Orth entstanden. Die Bildgestaltung ergab sich zum großen Teil über die Auswahl der Drehorte. Vieles ist auch in der Probewoche vor dem Dreh zusammen mit den Schauspielern entwickelt oder verändert worden. Nichtsdestotrotz hatten wir beim Schreiben der Szenen recht genaue Vorstellungen. Das Buch ist so geschrieben, daß wir uns die Szenen meistens von einem Standpunkt aus vorgestellt haben, so als wären wir Beobachter im Raum. Das führte dann zu einem Kamerakonzept, bei dem wir selten über einen Schnitt die Perspektive verändern und die Szenen in Realzeit erzählen.

    BUNGALOW erzählt von dem Lebensgefühl eines Jugendlichen und das erstaunlicherweise ganz ohne Musik - stand von Anfang an für Sie fest, dass dieser Film ohne Filmmusik auskommt und warum haben Sie darauf verzichtet?

    Dass ich keine dramaturgisch unterstützende Filmmusik will, stand von vornherein fest. Ich habe oft Probleme mit dem Musikeinsatz in Filmen, zumindest bei Filmen, die sich einer bestimmten Form von „Realismus“ verpflichtet fühlen. Ich habe das Gefühl, dass Musik oft eingesetzt wird, weil Filmemacher das Vertrauen in die Stärke ihrer Inszenierung verloren haben. Bei „Bungalow“ wäre Filmmusik ein Stilbruch gewesen, der die Atmosphäre zerstört hätte. „Bungalow“ ist kein Film über eine bestimmte Jugendkultur. – Wir wollten keine Identitätsstiftung durch Musik.

    Ihr Hauptdarsteller ist ein professioneller Skateboardfahrer und kein Schauspieler. Wie kam es zu dieser Besetzung, und warum haben Sie sich für ein im Film unbekanntes Gesicht entschieden?

    Lennie haben wir zum Glück ziemlich schnell gefunden. Henner Winckler („Klassenfahrt“), mit dem ich zusammen an der Kunsthochschule in Hamburg studiert habe, hat mir beim Casting geholfen. Wir waren beide begeistert von Lennie als Typ und mochten ihn gerne. Es war gleich klar, daß er Paul versteht. In meinen Kurzfilmen habe ich bisher immer mit Laien gearbeitet. Deswegen hatte ich auch keine Angst davor, jemanden zu nehmen, der noch nie gespielt hatte. Im Gegenteil - ich war froh, jemanden zu finden, der noch nicht durch andere Rollen vorbelastet war. Ich bin sehr glücklich über alle Darsteller in „Bungalow“ – die Laien und die Schauspieler. Unser Drehstil war für sie riskant. Einerseits hat das Kamerakonzept ihren Spielraum stark eingeschränkt und andererseits wäre es so gut wie unmöglich gewesen, schauspielerische Schwächen durch den Schnitt auszugleichen.

    Sie lassen Ihren Hauptdarsteller einige Tage durch die hochsommerliche Provinz, in der er aufgewachsen ist, stolpern. Welche Rolle spielt der Ort, an den Paul, Ihr Hauptdarsteller, zurückkehrt - also der BUNGALOW?

    Der Bungalow ist Pauls Elternhaus und sollte stellvertretend für die Abwesenden Hinweise auf die Eltern geben.

    Zwischen den Brüdern Paul und Max gibt es im Bungalow immer wieder kleine Duelle und unterschwellige Konflikte, gesprochen wird wenig: ist das charakteristisch für Paul oder Ausdruck der besonderen Situation, in der er sich befindet?

    Beides: In den vier Tagen, von denen der Film erzählt, kulminiert etwas, das in seinem Charakter angelegt ist. Pauls Verweigerung führt dazu, dass sich die Situation für alle im Bungalow zuspitzt. Er will nicht von Max verstanden werden, er will provozieren. Sein Phlegma ist die effektivste Form der Provokation in einer Umgebung, die sich als tolerant und weltoffen versteht.

    Trotz seines Phlegmas nutzt Paul viele der sich bietenden Gelegenheiten: er bleibt auf der Raststätte, als seine Kompanie weiterfährt, er versucht, eine Urlaubsbekanntschaft in Berlin zu besuchen, er fährt mit der Freundin seines Bruders weg. Dennoch vermittelt BUNGALOW keine Aufbruchsstimmung - warum?

    Weil es nie zu einem richtigen Aufbruch kommt: „Bungalow“ ist für mich ein verhindertes Roadmovie. Die Hauptfigur hat viele Gründe, sich auf den Weg zu machen, aber sie schafft es nicht. Paul hat kein Ziel. Nichts für das er sich begeistert und nichts, was er der Welt, die er ablehnt, entgegensetzen kann. Deshalb findet er vielleicht auch nicht die Kraft aufzubrechen.

    Man erfährt nicht, warum Paul zur Bundeswehr gegangen ist, man erfährt nicht, warum er desertiert. Es gibt kaum Filmsequenzen seiner Bundeswehrzeit und doch ist sie allgegenwärtig. Verlässt Paul mit der Bundeswehr auch sein geordnetes, normales Leben?

    Die Bundeswehr ist gegenwärtig, aber sie ist gleichzeitig irreal, sie ist keine echte Gefahr für Paul. Letztendlich lassen sich alle Probleme lösen, die er sich mit seiner Fahnenflucht schafft. Sein Vergehen hat keine wirklich existentiellen Folgen - zumindest nicht im Deutschland des Jahres 2002 und nicht für jemanden, der aus einem solchen Elternhaus stammt, wie Paul. Ich erkläre mir die Tatsache, daß er zur Bundeswehr geht, mit seiner Verweigerungshaltung gegenüber dem linksliberalen Konsens, der ihn umgibt. Das ist vielleicht keine bewußte, intellektuelle Entscheidung - Paul ist ja niemand, der bewußt Entscheidungen trifft - aber es ist ein Ausdruck von Protest. Das sind Gedanken, die wir uns als Autoren zu der Figur gemacht haben. Vielleicht kommen andere mit ganz anderen Erklärungen auf. Wichtig ist mir nur, dass Pauls Verhalten schlüssig und glaubwürdig wirkt.

    TEXTE ZUM FILM

    Der Debütfilm von Ulrich Köhler inszeniert diese Konstellation wie ein ins Stocken geratenes Gespräch: Das meint nicht nur die lakonischen Dialoge, die gemeinsam mit dem zurückgenommenen Gestus der Darsteller vor allem Nicht-Kommunikation bedeuten. Das meint auch einen Leerlauf der Zeit, in den die Kamera Patrick Orths mit ihren Plansequenzen hineingleitet. Es ist die Zeit zwischen Jugend und Erwachsensein, die Zeit des „Nicht-mehr“ und des „Noch-nicht“. Das ist vor allem Pauls Zeit, die sich der Film zu eigen macht.

    Auch der Bungalow ist ein zeitverlorener Ort, an den die Protagonisten immer wieder zurückkehren. Paul droht die Verhaftung durch Feldjäger, doch ohne Ziel vor Augen zögert er seine Flucht immer wieder hinaus. Max und Lene brechen auf und kehren doch wieder zurück, weil ihr Engagement als Alien in einem Science-Fiction-Film platzt.

    So wird der Bungalow zum “Outer Space“, an dem Erinnerung und Hoffnung, Vergangenheit und Zukunft auf eine angehaltene Gegenwart treffen.