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  • Alptraum als Lebenslauf - Das Zeugnis der Georgia T.

    Berlin (West) 1982, 16 mm, Farbe, Magnetton, 42 Minuten


    STAB

    Kamera:
    Ton und Schnitt:
    Produktion:
    Ingo Kratisch
    Johannes Beringer
    momo films Berlin (West) 1982








    TEXTE ZUM FILM

    Georgia T.:

    "Ich weiß, dass das KZ nicht mehr da ist. Da ist das Leben und - das Lager, das ist so wie ein Tumor, den man hier drin hat ....Und dieser Tumor schläft meistens. Aber ab und zu gibt es irgendeinen Reiz von außen und sofort ist er wieder da, dehnt sich aus."

    "Du mußt dir vorstellen: Unter solchen Streßsituationen mußtest du versuchen, eben nicht selbstsüchtig zu sein und nicht nur an dein eigenes Sattwerden zu denken. Du mußtest an die Frau neben dir denken, die etwas mitbekommt, dass die auch da ist, dass sie auch überleben möchte ...."

    "Die Einwohner Fürstenbergs haben die Arbeitskolonnen gesehen, die mehrmals täglich durch den Ort marschierten. Und sie haben auch immer die ankommenden Transporte gesehen. Auch die mit Leichen gefüllten Lastwagen haben sie gesehen, die vom Bahnhof Fürstenberg ins Lager zum Krematorium gefahren wurden. Die Kolonnen wurden von SS-Aufseherinnen mit Schäferhunden begleitet. Die Hunde waren speziell auf Frauen trainiert. Jede Bewegung war gefährlich. Sie sprangen den Frauen an die Brust und an den Unterleib. Beim Rückmarsch ins Lager am Abend kam es schon vor, daß eine Kranke oder manchmal eine Leiche mitgetragen wurde. Alles durch den Ort und vor den Augen aller. Anfang der fünfziger Jahre gab es in Ravensbrück eine große internationale Kundgebung, zu der viele Frauen aus dem Ausland kamen. Mit einer dieser Frauen ging ich - das war eine Französin -, wir gingen nach Fürstenberg zu Fuß. Wir legten Wert darauf, diese Straße, die von den Frauen gebaut wurde, zu Fuß zurückzulegen. Und es war ein sehr heißer Septembertag. Wir waren sehr durstig und kehrten in eines der kleinen Lädchen, die sich in den Häusern befanden, die links und rechts der Straße standen, ein. Ein älterer Herr, ungefähr so Mitte 50, fragte uns mitleidig: Waren Sie etwa auch dort? Wir sagten: Ja. Denken Sie, sagte er, und wir haben nichts davon gewußt."

    "Ich kann Ravensbrück in mir niemals auslöschen. Ich kann es nicht verdrängen. Das heißt nicht, dass ich stündlich daran denke. Aber ich war ja dort als sehr junger Mensch in meinen formativen Jahren und das, was ich dort gelernt habe, war eine Lektion in Menschlichkeit. Das heißt, ich muss das erwähnen, weil ich die ganze Zeit von der Unmenschlichkeit gesprochen habe, jetzt muß ich die Menschlichkeit erwähnen. Das heißt, ich habe dort gelernt, wie man auch in solcher Lage menschlich handelt, menschlich denkt und differenziert. Ich habe dort zu differenzieren gelernt."