| Alaska Syndrom, Das | ||
BRD 1989/1991, 16mm, Farbe, 97 Min | |||
STAB | |||
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FILME | |||
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INTERVIEW | |||
Interview mit Axel Engstfeld Der Titel "Alaska Syndrom" klingt nach Krankheit, nach etwas Üblen. Was haben Sie sich denn dabei gedacht? Wir sind damals nach Alaska gegangen, um die Ölkatastrophe der Exxon Valdez und die Hintergründe zu beleuchten. Wir dachten, dass es sinnvoll wäre, wenn neben der Newsberichterstattung noch das Auge des Dokumentaristen die Ereignisse beobachtet. Wir wollten zeigen, dass hinter den Ereignissen System steckt: Hingehen, Ausbeuten, unkalkulierbare Risiken in Kauf nehmen, ein Desaster hinterlassen. Alaska ist ein Beispiel dafür, wie die Industrieländer mit Natur und Ressourcen umgehen. Sie waren drei Wochen nach der Katastrophe dort. Wie kam es dazu? Es war eine Woche nach der Katastrophe. Ich hatte gerade mit dem Cutter Jean-Marc Lesguillons die Mischung eines Filmes über die Zugspitze beendet. Wir saßen in einem Café und ich sagte zu Jean-Marc: Weißt du was ich nicht verstehe, dass mich niemand anruft und sagt, warum gehst du nicht nach Alaska? Wir hatten den Film "Antarctica Project" herausgebracht. Ein Film,der sich mit der Frage befasst, ob es der Menschheit möglich ist, den letzten Kontinent, die Antarktis, unberührt zu lassen und auf die Ausbeutung von Bodenschätzen einmal zu verzichten. Alaska schien mir wie die logische Fortsetzung des Themas: Da war die größte Ölpest in der Geschichte der USA inmitten einer wunderbaren Inselwelt, eines Naturparadieses, auf das die Amerikaner stolz sind. Da war sie passiert, die Katastrophe,von der die Verantwortlichen immer behaupteten, sie sei unmöglich. Knut Fischer, Redakteur des WDR fragte, ob ich nach Alaska gehen wollte. Was haben Sie dort vorgefunden? Die Situation war absolut unübersichtlich und für mich ungewohnt. Normalerweise gehe ich gut vorbereitet mit einem recherchierten Thema zum Drehen. Das hier hatte nichts damit zu tun. Ausgestattet mit einem Minibudget - der WDR deckte gerade mal die Kosten für einen Magazinbeitrag von 10 Minuten - stand ich in einem Chaos, wo selbst einheimische Journalisten nicht mehr durchblickten. Ich mußte immer gleichzeitig recherchieren und drehen. Da hätte man ein größeres Autorenteam gebraucht. Es ging an die Nerven. Nur ein kleines Beispiel: Wir wollten natürlich das Öl sehen, und ich hatte mir vorgestellt,mit dem Wagen wird man da schon irgendwie hinkommen.Doch in Valdez endet die Straße. Zu dem Zeitpunkt als wir ankamen war das Öl bereits 300 Meilen südlich von Valdez. Überblick konnten wir uns nur mit dem Flugzeug verschaffen. Nach 4 Stunden Charterflug wußten wir, dass von Valdez aus überhaupt nichts läuft. Auf die offiziellen Journalistenflüge von der Coast Guard kam man nicht. Helicopter waren zu teuer und sowieso von den amerikanischen Stationen unter Vertrag. An Booten konnte man in Valdez nur noch die letzten Bruchkähne für ein Vermögen chartern. Wir sind dann weiter südlich zu einem anderen Ort geflogen und haben von dort aus ein Boot gemietet und waren eine Woche im Sund unterwegs. Vor Ort war ja jede Menge Presse. Wie war das, als Sie zum zweiten Mal dort waren, gab es da auch noch Vertreter der internationalen Medien? Nein, da gab es nur noch den lokalen Nachrichtensender aus Anchorage. Deren Vertreter waren die einzigen, die ab und zu noch da waren und kontinuierlich eine gute Berichterstattung gemacht haben. Inzwischen hatte sich Exxon spezialisiert, kleine Touren in den Prince William Sund zu ausgesuchten Plätzen zu veranstalten. Mal wurden Lehrer und Schüler auf Booten hinausgefahren, mal Hausfrauen. Auch VIPs wurden geflogen. Es gab einen regelrechten Tourismus dort. Auf der anderen Seite gab es ganze Reviere, die von der Coast Guard gesperrt waren, wo es auch den Anwohnern verboten war mit ihren Booten anzulegen. Die wären verhaftet worden. Warum? Weil es offensichtlich dort nicht so aussah, wie es hätte aussehen sollen. Also nach wie vor verölte Strände? Ja natürlich. Ihr Film davor hieß "Antarctica Project", spielt in der Antarktis, am Südpol. Jetzt waren Sie im Norden, in Alaska. Beides sind kalte Regionen, es ging beide Male um Öl - lieben Sie die Kälte? Wir bereiten gerade einen dritten Film vor, der spielt wieder in der Kälte. Es geht um das größte hydroelektrische Kraftwerksprojekt der Welt an der James Bay. Dort ist schon vor zehn Jahren ein Gebiet so groß wie die Schweiz geflutet worden. Weiter nördlich beginnt jetzt die Stufe 2, ein ebenso gigantisches Projekt. Das Gebiet gilt als unbewohnt, dort leben lediglich 10 000 Cree als Trapper und Jäger. Das wird das nächste Projekt sein und wahrscheinlich das letzte in der Kälte. Wie erklären Sie sich das? Das ist ja kein Zufall: drei Filme in der Kälte und jedesmal geht es um Energie. Offensichtlich weil die großen Ressourcen dort zu finden sind. In spärlich bevölkerten Landstrichen gibt es wenig Widerstand gegen Megaprojekte. Was veranlasst Sie, solche Themen anzugehen? Es sind die Themen, die mich aufregen. Bei der Antarktis war es für mich nicht einsehbar, dass auf dem letzten Kontinent sich genau die gleiche Geschichte wiederholen sollte: Entdecken, Ausplündern, Trümmer hinterlassen, dem ewigen Wirtschaftswachstum alles zu opfern. Alaska ist für mich eine konsequente Verlängerung des Themas. Hatte der Film in Ihrer Vorstellung schon Gestalt genommen, als Sie den zweiten Dreh begannen? Klar war mir, daß ich eine Art Lehrstück machen wollte: Wie geht man mit einer Katastrophe um, am Beispiel der Exxon Valdez, dem größten Ölunfall in der Geschichte der USA. Der Weg dahin war schwierig und entstand erst durch aufwendige Archivrecherchen und Konstruktionsarbeit am Schneidetisch. Die Recherchen zum zweiten Dreh führten uns über interessante Personen hinter die Kulissen der Ereignisse in Alaska. Täglich erfuhren wir von neuen Skandalen und Erpressungen, von Korruption, Bedrohungen und Bestechungen, von politischen Liaisons, die das ganze Ereignis stillschweigend vergessen machen wollten, bis zu Kündigungsdrohungen gegen Beamte der Nationalparks, die sich ungefragt engagiert hatten. Alaska gehört der Ölindustrie, das war das eindeutige Ergebnis der Recherchen. Wie war die Zusammenarbeit mit Exxon oder besser gesagt die Gegnerschaft mit Exxon? Wir haben den zweiten Dreh über Esso Deutschland vorbereitet. Exxon hatte aus der ganzen Welt PR-Leute in Alaska zusammengezogen, weil es ein einzigartiger Anschauungsunterricht war und eine seltene Gelegenheit, den PR-Leuten beizubringen, wie man den Medien gegenüber mit solch einem Unglück umgeht. Wir hatten also auch einen Ansprechpartner von Esso Deutschland in Anchorage. Vorher hatte ich jedoch versucht,in der Exxon-Zentrale in New York und in Houston einen Fuß in die Tür zu bekommen. Mir ging es darum, etwas vom Alltag dieses gigantischen Konzerns miteinzufangen. Doch da gab es nicht den Hauch einer Chance, eine Drehgenehmigung zu erhalten. Es war wie die Politik aller großen Konzerne: Nichts genehmigen,wenn man das Ergebnis nicht kontrollieren kann. | |||