| Nachtschicht | ||
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Im Rausch der Maschinen "Wahrend die Menschen schlafen, führen ihre Spielzeuge ein Eigenleben. An dieses Märchenmotiv, an diese geheime Welt der mechanischen Wesen fühlt man sich immer wieder erinnert in Alexander Riedels bemerkenswertem Dokumentarfilm "Nachtschicht". Auch Riedel beobachtet ein nächtliches Treiben, das etwas geisterhaftes hat. Als ob ein riesiger Organismus erwacht, setzen sich am Abend die Förderbänder und Trommelmaschinen im Druckhaus des Süddeutschen Verlages am Stadtrand von München in Gang. Bis in den frühen Morgen wird hier gearbeitet - eine eigene Welt, geprägt von Maschinenlärm und künstlichem Licht. (...) Sanft gleitet der Film hinein in den Rhythmus der Nacht. Der Ablauf wirkt wie choreographiert. Eine S-Bahn rauscht vorbei, mit erleuchteten Fenstern. Lieferwagen kommen an, die Nachtschichtler parken ihre Autos. Ernsti geht mit einer Aldi-Tüte einen Gang entlang, in die Packerei, Willi steht an seinem Spind und zieht sich um. Immer lauter wird das Rattern der Förderbänder und das Getöse der Maschinen. In ruhigen, dichten Bildern fängt Riedel das Wesen der Nachtschicht ein: die Monotonie der Handgriffe, die Brotzeit-Rituale. Das Tagleben verblasst, taucht nur noch schemenhaft in den Erzählungen der Männer auf. (...) Riedel begleitet die letzten Arbeitstage von Ernsti, Willi, Olga und Thomasso, langjährigen Schichtarbeitern, die in den Vorruhestand entlassen werden. 'Der Körper muss sich umstellen', sagt Ernsti, der mehr als zehn Jahre Nachts gearbeitet hat und schon mal eine ganze Mahlzeit, zwei Knödel inklusive, verdrückt, wenn die meisten Menschen ihren Tiefschlaf haben. Die Nachtschicht war vielleicht ein Scheißjob - 'aber es war vierzig Jahre lang mein Leben', sagt Willi. Man spürt Riedels Sympathie und Anteilnahme, den beiden Männern schenkt er liebevolle Porträts. Willi und Ernsti leihen der Arbeit ihr Gesicht - Züge, die verschwinden werden im Zeitalter der Digitalisierung. Die Handarbeit erscheint nicht mehr zeitgemäß, die Mensch-Maschine der Druckerei wie ein Fossil. (...) So unspektakulär wie der Film Abschied nimmt von einer Ära, so zurückhaltend ist auch Willis und Ernstis Abgang. Am Ende drehen sich die beiden einfach um und gehen. Die Nachtschicht war ihr Leben." (Martina Knoben, Süddeutsche Zeitung, 11.9.2003) |