Wim Wenders' Triumph
ÑDaß 'Der Stand der Dinge' den Goldenen Löwen gewonnen hat, ist nicht nur ein Triumph des Autorenfilms über die Bankcomputer-Produktionen, er ist ein Akt des Widerstands menschlicher Kreativität gegenüber den Gesetzen des Marktes. Und zum Glück ganz schlicht ein großer Film - groß im Sinne von bedeutend und wichtig, nicht im Sinne der Produktionsmittel.
Vordergründig ein Kommentar zu Wenders eigenen Erfahrungen im Land der synthetischen Geschichten, ist er darüber hinaus eine zur Summe geronnenen Dokumentation über die Möglichkeiten des Films überhaupt, eine Reflexion über Film und Leben und Tod. Die Story, soweit man davon sprechen kann, ist einfach und dennoch kompliziert durch die Weigerung, sich zur Story zu runden. Denn wie immer, weigert sich Wenders, die Hauptstraße zu gehen; er biegt bei jedem Nebenweg ab, läßt sich ein auf jede Überraschung, und es bleibt sein Geheimnis, wie er doch immer zu einem Ziel kommt.
Der Stand der Dinge beginnt als Fiktion der Fiktion: ein Filmteam dreht das Remake eines Science-fiction-Films von Alian Dwan mit dem beziehungsreichen Titel 'The Survivors'. Die Welt ist leer und verseucht; die Überlebenden wollen sich sinnlos irgendwohin durchschlagen.
Da ist der Film auch schon zu Ende, denn das Filmteam hat kein Geld mehr, der Produzent Gorden hat sich aus dem Staub gemacht: No Gorden, no money, no film. Lähmendes Warten beginnt, bei dessen Darstellung Wenders all seine zärtliche Genauigkeit aufbietet: die Einzelheiten, die kleinen Marotten, die enttäuschten Hoffnungen sind ihm wichtiger als eine runde Geschichte: ÑThis all is fiction - stories only exist in stories."
Denn Wenders will keine Geschichte durchpeitschen, weil eben dies
die Ursache von Cocteaus Bemerkung war, daß der Film dem Tod
bei der Arbeit zuschaue - nämlich dadurch, daß er immer
unbedingt etwas zu Ende bringen will. Aber die Filmleute wollen ihren
Film fertigmachen, und so fliegt der Regisseur Fritz, von Wenders
eindeutig mit autobiographischen Zügen ausgestattet, nach
Hollywood, um Gordon zu finden und Geld aufzutreiben. Fritz
spürt ihn tatsächlich auf in einem Wohnmobil, und es kommt
zu einer absurden Unterredung, in der Wenders noch einmal die Summe
seiner Filmerfahrung ausbreitet. Dann ist die Geschichte zu Ende -
und Wenders schaut dem Tod bei der Arbeit zu."
Süddeutsche Zeitung
Ñ'Der Stand der Dinge' handelt vom Zwang, Geschichten erfinden zu müssen für das Kino, während das Leben selten die bündige Form einer Anekdote annimmt: von dem Widerspruch also zwischen amerikanischen Erzähltechniken und europäischer Sensibilität. Mit jener distanzierten Zärtlichkeit, die seine besten Arbeiten auszeichnet, beschreibt Wenders in diesem ruhigen Schwarzweißfilm die einsamen Verrücktheiten des Filmemachens. Jedes Mitglied des in Portugal gestrandeten Teams, von dem alten amerikanischen Kameramann, den der mit Wenders befreundete Regisseur Samuel Fuller spielt, bis zu dem jungen exzentrischen Drehbuchautor (Paul Getty III, der ohne Ohr), der seine Geschichten in einem Computer aufbewahrt, gerät in einem langen Moment der erzwungenen Passivität in eine Krise.
Der Film, dessen Bilder sich erst im letzten Viertel, das in Hollywood spielt, zu einer Art Geschichte fügen, wird zu einer existenziellen Herausforderung.
Höhepunkte wie das große Comeback des Wim Wenders waren
selten im Programm der Film-Biennale am Lido in Venedig."
Die Zeit
ÑEine Reflexion über den Reichtum und die Grenzen des
Kinos."
Cinegraph
Im Basis-Film Verleih Berlin