Spielfilm von Wim Wenders
ÑWim Wenders hat seinen Film Henri Langlois gewidmet, dem verstorbenen Leiter der Pariser Cinematheque. Die Widmung ist auch eine Reverenz an das amerikanische Kino, vor allen an Alfred Hitchcook und an das Action-Kino Samuel Fullers, aber auch eine Hommage an Hollywood-Außenseiter wie Nicholas Ray, der den Western 'Johnny Guitar' gedreht hat, in dem die Farben Rot und Blau und eine Frau die Hauptrollen spielen. Im 'Amerikanischen Freund' sieht man Samuel Fuller als Mafia-Boß und das Raubvogelgesicht Nicholas Rays, der in den New-York-Szenen des Films als Bilderfälscher mitwirkt. Die Einflüsse all dieser Größen, und auch der des französischen Thriller-Spezialisten Jean-Pierre Melville, sind bei Wenders spürbar. Aber man braucht keinen dieser Herren zu kennen, um den Film zu verstehen. Die cineastischen Anspielungen und Verweise sind niemals eitel posierender Selbstzweck eines Regisseurs, der sich mit fremden Federn schmücken will, sondern fugenlos in die Geschichte integriert, die Wenders nach dem Roman 'Regel ohne Ausnahme' von Patricia Highsmith in seinem eigenen Stil erzählt.
Ein altes Mietshaus am Hamburger Hafen, einsam und isoliert, umgeben von kahlsanierten Flächen, auf denen früher andere Häuser standen. Hier lebt Jonathan Zimmermann (Bruno Ganz) mit seiner Frau Marianne (Lisa Kreuzer) und seinem kleinen Sohn Daniel. Die Familie ist nicht wohlhabend, macht aber einen zufriedenen Eindruck. Es wird nie richtig hell in der Wohnung. Es ist eine in warme dunkelbraune Farbtöne getauchte Höhle, fast eine Idylle. Jonathan ist Restaurateur und Bilderrahmer, ein Laden mit einem gemütlichen Werkstatt-Hinterzimmer liegt nicht weit entfernt. Wenn man aus dem Fenster auf den Hafen guckt, sieht man abends ein tiefes schwarzes Blau, morgens goldene Reflexe auf dem Wasser.
Eine große weiße Villa in vornehmer Hamburger Gegend, zu groß für den Amerikaner Tom Ripley (Dennis Hopper), der dort allein lebt und mit gefälschten Bildern Geschäfte macht. Jonathan hat nur noch ein paar Jahre zu leben, weil er an einer unheilbaren Blutkrankheit leidet. Ripley erfährt davon bei einer Bilder-Auktion, bei der auch Jonathan anwesend ist und die beiden zum erstenmal aufeinander aufmerksam werden. Raoul Minot (Gérard Blain), eine Gestalt aus der Pariser Unterwelt und mit Ripley bekannt, sucht jemand, der gegen Bezahlung einen Mafia-Gangster in Paris umbringen soll. Ripley empfiehlt Jonathan, weil der ohnehin nicht mehr lang zu leben hat und Geld für die Versorgung der Familie gut gebrauchen kann. Minot, seiner Sache völlig sicher, sagt Jonathan, seine Krankheit habe sich ernsthaft verschlimmert, und bietet 250.000 DM für die Durchführung des Mordauftrags. Jonathan antwortet: 'Sie müssen mich verwechseln.' Aber er fährt doch nach Paris und erschießt den Mafioso hinterrücks in einer Metro-Station. Er gerät in einen verhängnisvollen Strudel. Er hat Geheimnisse vor Marianne, und die Entfremdung der beiden wird sichtbar. Und außerdem soll er auch noch einen zweiten Mord begehen, diesmal im TEE zwischen Hamburg und München. Als alles ausweglos ist, taucht plötzlich Ripley im Zug auf. ...
Wenders hat die Schauplätze des Highsmith-Romans geändert, aber den Plot erhalten. Wie in seinem vorigen Film 'Im Lauf der Zeit' konzentriert er sich auf die Darstellung der freundschaftlichen Beziehung zwischen zwei Männern.
Bruno Ganz ist der Jonathan, und man hat fast nie das Gefühl, daß er ihn spielt. Damit nähert sich Ganz einer Darstellungsweise, die von seinem amerikanischen Kollegen Dennis Hopper vollendet beherrscht wird. Die Figuren leben, weil die Schauspieler nicht angestrengt versuchen, Lebendigkeit vorzutäuschen.
In ihr Inneres dringt man nicht ein, weil sie nur das sind, was
man von ihnen sieht. Und sie sind nur das, was die physisch sichtbare
Realität um sie herum aus ihnen macht, die Objekte, Räume,
Stadtlandschaften, mit denen und in denen sie sich bewegen, und was
Wenders als Reflexe innerer seelischer Stimmungen in der
Außenwelt wiedererscheinen läßt."
(Arnd F. Schirmer in: Der Tagesspiegel, 07.07.1977)
ÑEinmal fährt Ripley in seinem amerikanischen Schlitten durch Hamburg.
Seine rechte Hand hält das Steuer und eine Zigarette, mit der
linken Hand preßt er einen Kassettenrekorder an sein Ohr. Ñ6.
Dezember 76. Vor nichts muß man sich fürchten. Außer
vor der Furcht." Und: ÑIch weiß weniger und weniger, wer ich
bin und wer überhaupt jemand ist." Es ist, als suche er das
Stimmengewirr der Großstadt mit den eigenen Worten zu
übertönen. Eine typische Wenders-Episode inmitten eines
ansonsten stringenten Geschehens - von der Verlassenheit des Menschen
unter Menschen. In der Windschutzscheibe seines Autos spiegeln sich
unterdessen die bunten Reklamelichter aus dem Vergnügungsmilieu.
Diese Lichter, das stellen die Bilder klar, prägen Leben und
Denken. Und alle Gefühle drumherum. Nicholas Ray darf die ganze
Geschichte schließlich auf den Punkt bringen: ÑIch bin tot.
Aber mir geht es bestens."
(Norbert Grob, ÑWenders" Edition Filme, Berlin 1991)
Im Basis-Film Verleih Berlin