- dedicated to the KINKS - Ein Film von Wim Wenders
Ein Freund erzählt ihm die Geschichte von Fords THREE GODFATHERS, im Fernsehen sieht er ein paar Bilder aus Godards ALPHAVILLE, draußen auf den Straßen, die er unentwegt mit dem Taxi durchfährt, sucht er danach, was sich in der Zwischenzeit alles verändert hat. Nirgendwo ist er zu Hause, er übernachtet in fremden Wohnungen, zieht durch fremde Kneipen, wandert über fremde Straßen. Selbst bei seinen Freundinnen achtet er auf Distanz, oft sieht er nur fern oder hört Musik, nur selten redet er ein Wort. Er will keinerlei Ansprüchen genügen, keinerlei Verpflichtungen nachkommen, keinerlei Beziehungen eingehen, er will nur wieder das alltägliche Leben spüren - schauen, hören, schmecken, riechen, fühlen.
Als ihm dann seine alten Kumpane zu nahe rücken, flieht er sofort nach Berlin. Was kaum etwas ändert. Wieder nur fremde Wohnungen, fremde Kneipen, fremde Straßen. Er bleibt ohne jede Nähe zu anderen Menschen, auch ohne Nähe zu den Dingen, die ihn umgeben. Ein Fremder in der eigenen Welt. Alles, was ihm begegnet, bleibt ihm ungewohnt, seltsam, absonderlich. Selbst das Alleralltäglichste ist ihm nicht mehr vertraut. Gefühle, Liebe gar, haben da keinerlei Chance.
Wohl scheint ihm nur, wenn er selbstvergessen in Äußeres sich stürzt. Etwa, wenn er mit der schwarzgekleideten Frau Mensch-ärgere-dich-nicht spielt oder ihr minutenlang das Berliner Kinoprogramm wiederholt, das er am Telefon abhört. Am Ende wird seine Ausflucht wieder zur Flucht. Von Berlin aus reist er nach Amsterdam. Er hat Angst, weil die Typen, die ihn in München verfolgten, nun auch in Berlin etwas von ihm wollen. Ob das in Amsterdam anders sein wird?
Eine richtige Geschichte ergibt das nicht. Der Film hat zu viele Bilder, die im üblichen KinoFilm ausgespart bleiben. Die Handlung kommt nie so recht in Gang, die visuellen Details verweigern sich dem Zusammenhang. Lange Blicke in leere Straßen oder auf einzelne Häuser, wie etwa auf das alte Metropol Kino. Dem Helden ruhig zuschauen, wie er den Landwehrkanal entlangmarschiert oder beim Gehen eine Zeitung liest oder im Auto den Kudamm abfährt. Wenders formuliert die bloße Beobachtung als filmisches Abenteuer. Wodurch er noch einmal beweist: Transparenz im Kino, sie ist das Sichtbarmachen des Unsichtbaren, während gleichzeitig - dem Schein nach - doch alles so offen daliegt.
Wenders Strategie in SUMMER IN THE CITY lautet: nichts zusammenfassen oder raffen; nichts abkürzen, beschleunigen oder gar auslassen; nie so tun, als sei das, was man zu erzählen habe, unter Kontrolle; nichts dramaturgisch überhöhen; jedes Geschehen voll und ganz für sich lassen, damit es sich nicht einfügt als Baustein für etwas anderes, sondern hervorsticht als Ereignis."
... Andererseits sollte man das Offensichtliche nicht
überbewerten. Sieht man den Film gegen den Strich, so ist
'Summer in the City' auch ein Beitrag zur Widererweckung des
philosphischen Detektivfilms. Der Fall, den es aufzuklären gilt,
ist die Situation Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre. Und die
Kamera ist der Detektiv, der die Spur aufnimmt und den Dingen auf den
Grund geht. Es gibt den Widerspurch zwischen Wahrheit und Lüge,
zwischen Tun und Sagen - wie in jedem guten private eye-Film. Es gibt
den Kampf zwischen Hell und Dunkel, zwischen Gut und Böse.
Außerdem wird klar: Auch fürs Kino gilt, was Jim Thompson
einst für seine schwarzen Romane reklamierte: Es gibt nur ein
einziges Thema, und das ist das Thema von Don Quichotte, das
Farcenspiel von Schein und Wirklichkeit in einer morbiden Welt, in
der die Dinge nun einmal nicht so sind, wie sie zu sein
scheinen.'"
(Norbert Grob, ÑWenders" Edition Filme, Berlin 1991)
Im Basis-Film Verleih Berlin