aktuelle Termine:

24.3. bis 6.4. Filmhaus Köln

10., 17.,+24.4. Werkstattkino, München

14.-20.4. (3x) Voxxx-Kino, Chemnitz

16.-20.4. Filmgalerie, Regensburg

17.4. Black Box, Düsseldorf

9.,12.+14.6. Kino 46, Bremen

PRESSESTIMMEN ZUM FILM
Die Expertinnen
Ein kurioses Duo schlendert durch die Wiener
Innenstadt: zwei Frauen, hoch gewachsen,
schlank, blond, leicht exzentrisch gekleidet,
mit Aufsehen erregender Haartolle die eine;
die andere klein und zerbrechlich wirkend,
wesentlich älter, eine Baskenmütze auf dem
Kopf, unter der das rötlich getönte Haar hervor
schaut. Elfriede Gerstl ist Lyrikerin, lange Zeit
erfolglos, bis sie kurz hintereinander den Traklund
den Erich-Fried-Preis zuerkannt bekam.
Leidwesen, "man muss versuchen, um jeden
Preis ein Außenseiter zu sein", sagt sie. Jelinek
und Gerstl - zwei ungleiche Frauen, befreundet
seit 30 Jahren, radikal unterschiedlich in ihren
ästhetischen Ansätzen, trotzdem mit erstaunlichen
Parallelen. (...) Zusammen sitzen sie in
dem kleinen Laden am Naschmarkt, der Gerstls
Schätze beherbergt: Kleider aus den 30er bis
70er Jahren, die sie auf Flohmärkten und in
Secondhand-Läden zusammenträgt. Mode ist
ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Gerstl
und Jelinek, die freimütig bekennt, dass ihre
optische Exaltiertheit nichts anderes als ein
Schutzschild ist, Ausdruck des Wunsches, sich
zu verstecken. "Mode sammeln macht süchtig",
sagt Gerstl, während Jelinek Blusen anprobiert.
Eine weitere Gemeinsamkeit der zwei Frauen,
die sich als "Gegenspieler im Schreiben"
bezeichnen, ist das gestörte Verhältnis zu ihren
Müttern, "beide Täterinnen". Der Ablösungsprozess
ist noch lange nicht beendet, so freimütig
dürfte man Elfriede Jelinek, diese Ikone der
Frauenbewegung, noch nicht über Verletzungen
und eigene Neurosen haben reden hören, eine
Frau, die stets unter Druck schreibt und diesen
Druck in ihre Texte weitergibt, Wut, Hass und
eigene Kränkungen. "Wir sind", sagen die beiden
abschließend, "Expertinnen in Sachen
Leid". (Christoph Schröder, in : Frankfurter
Rundschau, 11. September 2003)

Elfriede & Elfriede
Verbunden durch die Kleider und den Mangel
„Zwei Wienerinnen, zwei Freundinnen, zwei
Dichterinnen: das sind Elfriede Jelinek und
Elfriede Gerstl, deren Freundschaft Hanna
Laura Klar in ihrem Film ‘Elfriede & Elfriede’
dokumentiert hat. Das ist um so erstaunlicher,
als es bisher keinen Film gibt, für den sich
Elfriede Jelinek so lange vor die Kamera holen
oder gar in ihrer Wohnung filmen ließ. Porträts
von der scheuen Schriftstellerin existieren fast
keine.
Deshalb hat Hanna Laura Klar auch viel Zeit
investiert, hat ein Jahr lang die Autorinnen in
Wien immer wieder mit der Kamera besucht,
bis die Gespräche nach und nach intimer wurden.
Der Film atmet diese Vertrautheit aus
jeder Pore, unbefangen probiert Elfriede Jelinek
im Laden ihrer Freundin Hemden und Blusen
an, in ihrem Haus holt sie sogar ihre alte
Barbie-Puppe hervor, um sie in die Kamera zu
halten. (...) Trotzdem ist Hanna Laura Klar ein
Meisterstück gelungen. Ihre Aufmerksamkeit
gilt den Freundinnen, die sie - auch mit
Fotos aus deren Kindheit - immer intensiver
vorstellt, ihr gemeinsames Interesse an
Mode und Schmuck zeigt, mit dem beide,
was nach und nach herauskommt, viele Mängel
überdecken, die sie in ihrer Jugend erleiden
mussten. ‘Das Sammeln von Kleidern ist
für mich ein Versuch, mich zu trösten’, erzählt
Elfriede Gerstl einmal: ‘Ich hatte eine ruinierte
Kindheit. Als jüdisches Kind konnte ich keine
Schule besuchen. Wir lebten versteckt.’ Und
über ihre Freundin Elfriede Jelinek sagt sie:
‘Wir kennen uns ewig. Die Kleider und der
Mangel haben uns verbunden.’ Elfriede Jelinek,
die 15 Jahre jüngere, berichtet von ihrer strengen,
ehrgeizigen Mutter, die sie zu Ballett- und
Musikunterricht antrieb. Als sie mit 18 Jahren
einen Nervenzusammenbruch erlitt und ein
Jahr lang nicht unter Leute gehen konnte, habe
sie begonnen zu schreiben. Ein erster Versuch,
der Mutter zu entkommen. Ihr teils autobiografischer
Roman ‘Die Klavierspielerin’ sei ihre
Rache an der Mutter - Elfriede Gerstl bewundert
sie dafür. Doch Unsicherheit ist geblieben:
‘Ich habe den Wunsch, mich zu verstecken.
Wenn ich etwas Spektakuläres trage,
kann ich dahinter verschwinden’, sagt Elfriede
Jelinek. Ob aus der Verunsicherung der Hass,
die Aggressivität rühren, die Elfriede Jelinek
zum Schreiben antreiben? Ihr Beruf helfe ihr
sicherlich, diese Gefühle vorübergehend zu
überwinden, sagt die Autorin. Sie würde gerne
von ihrer Freundin, der Lyrikerin Elfriede
Gerstl, lernen, ohne Druck zu schreiben -
beiläufiger, leichter. ‘Im Schreiben sind wir fast
schon Gegenpole’, findet die Jelinek. (...) Hanna
Laura Klar stellt beide Dichterinnen gleichermaßen
ausführlich vor - die unbekannte
Elfriede Gerstl, für die der Zuschauer bald
eine große Sympathie empfindet, ebenso
wie Elfriede Jelinek. Und gerade indem sie
beide und ihr Verhältnis zueinander dokumentiert,
charakterisiert sie die Frauen: Es
fällt auf, wie innig sie miteinander umgehen.
Elfriede Jelinek, die berühmtere, läßt ihrer
Freundin den Vortritt, läßt sie reden und
drängt sich niemals vor. Die analytische,
erbarmungslose, engagierte, provokative
Elfriede Jelinek, hier ist sie sensibel, verletzlich
und schüchtern.“ (Katharina Deschka-
Hoeck, in : Frankfurter Allgemeine Zeitung,
11.09.2003)